Luft zum Atmen

In einem ehemaligen Einfamilienhaus in Kruft werden Menschen gepflegt, die rund um die Uhr beatmet werden müssen. Die Pflegeprofis Yakup Odabasi und Frank Höhne erzählen, warum ihnen dieses Projekt am Herzen liegt, was sie in der Pandemie erstaunt hat – und wie es zum Namen „Haus Morla“ gekommen ist.   

Zuerst war er skeptisch gewesen. Eine Schildkröte als Logo? Als Symbol für das Haus, für das Unternehmen, für das gesamte Projekt? „Ich wusste wirklich nicht, ob das gut ist“, gibt Yakup Odabasi zu. Das allerdings hat sich längst geändert – mittlerweile ist er völlig begeistert, wenn er von Schildkröten erzählt: „Sie sind ruhige, zutrauliche Wesen, sehr bedächtig. Der Panzer ist beschützend. Das passt irgendwie sehr gut zu unserem Konzept.“ So gut, dass Yakup Odabasi und sein Geschäftspartner Frank Höhne ihr Haus schließlich „Morla“ genannt haben, ein typischer Name für eine Schildkröte. 

Auch wenn sie ihr Unternehmen erst vor Kurzem gegründet haben, geht ihre gemeinsame Geschichte doch viel weiter zurück. „Wir haben uns 2005 kennengelernt, damals waren wir beide in der Pflege tätig“, erinnert sich Frank Höhne. „Unsere Wege haben sich zwar wieder getrennt, wir sind aber immer im Kontakt geblieben.“ Deshalb hat er auch als erstes Yakup Odabasi angerufen, um mit ihm über seine Idee zu sprechen: „Er fragte: Hast du Lust, dass wir uns gemeinsam selbstständig machen? Ich war erstmal überrascht. Und habe geantwortet: Ja. Nein. Ja.“ Dabei blieb es dann. Gemeinsam etwas verändern in der Pflege, nicht mehr bei Konzernen arbeiten, in denen es oft doch sehr anonym und unpersönlich zugeht – sondern etwas Eigenes machen, hinter dem wir wirklich stehen können“, das wurde ihr gemeinsamer Anspruch. „Wir sind ja beide eher Macher als Theoretiker oder Bürokraten.“

Die Idee: ein Haus gründen, in dem die Bewohner mit Tracheotomie leben können, also Menschen, die rund um die Uhr beatmet werden müssen. Oft ist es schwierig für Angehörige, sie zu Hause zu betreuen – man benötigt ein ganzes Team von Pflegern, 24 Stunden am Tag und sieben Tagen in der Woche. „Wir wussten: Mit einer Wohngemeinschaft können wir das leisten“, sagt Höhne. Sie machten sich auf die Suche nach einer Immobilie – und fanden sie in Kruft im Landkreis Mayen-Koblenz. „Unser Immobilien­berater hat uns auf die Idee gebracht: Sie bekamen von der ISB einen günstigen Kredit und einen Tilgungszuschuss für ihr Vorhaben. Voraussetzung ist, dass Bewohner für die Miete maximal einen festgelegten Preis pro Quadratmeter bezahlen müssen: „Im Haus Morla kostet eine Wohnung rund 350 Euro, privat würde etwas Vergleichbares etwa 1.000 Euro im Monat kosten. Es ist gut, dass die Menschen hier vergleichsweise günstig wohnen können“, so Odabasi. „Die meisten Patienten haben ja eine Familie in einem anderen Haushalt. Für sie ist es sehr schwierig, diese Doppelbelastung zu stemmen.“ 

Das ehemalige Einfamilienhaus in Kruft wurde vollständig barrierefrei und rollstuhlgerecht umgebaut. Entstanden sind sechs einzelne Wohnzimmer, die teilmöbliert angeboten werden und von den Bewohnern mit eigenen Möbeln eingerichtet werden können. Zusätzlich gibt es Gemeinschaftsräume, sodass für jeden Bewohner insgesamt etwa 60 Quadratmeter zur Verfügung stehen. „Alles hat super geklappt – trotz Corona, das hat uns sehr positiv überrascht“, freuen sich die Unternehmer. Obwohl sie den Bau­antrag ausgerechnet am Anfang der Pandemie im April 2020 gestellt hatten, konnte es schon im Spätsommer losgehen mit dem Umbau. „Wir freuen uns sehr, dass alles auch dank der Unterstützung der ISB reibungslos gelaufen ist. Das ist in diesen Zeiten nicht selbstverständlich.“

Im Haus Morla dagegen ist sogar noch mehr möglich: „Der MS-Patientin haben wir neulich die Haare gefärbt, das hat sie sich gewünscht“, erzählt Frank Höhne. „Eine andere wollte sehr gerne Eis essen gehen. Wir versuchen, so etwas möglich zu machen.“ Solche positiven Erlebnisse beschleunigen auch einen möglichen Heilungsprozess, davon sind die beiden Macher überzeugt. Dass sie mehr Bewerbungen von Pflegepersonal bekommen als benötigt „ist schon sehr ungewöhnlich in der heutigen Pflegelandschaft. Darüber sind wir sehr froh, und das zeigt uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind.“ Langsam, bedächtig, beschützend. Eben genau wie Morla, die Schildkröte, die zum Symbol des Hauses geworden ist.

Mittlerweile wohnen mehrere Menschen im „Haus Morla“ – etwa ein 83-jähriger dementer Mann, der nicht mehr selbstständig atmen kann, eine 52-Jährige mit Multiple Sklerose, die ab dem Oberkörper gelähmt ist. Eine andere junge Frau ist noch so mobil, dass sie gerne puzzelt und auch in die nahegelegene Natur gehen kann. „Entscheidend ist aber, dass es bei uns rund um die Uhr eine Betreuung durch mindestens zwei qualifizierte Pflegekräfte gibt. Das gibt allen Sicherheit“, erklärt Yakup Odabasi. Zusätzlich kommen Neurologen, Pneumologen, eine Ergotherapeutin und andere Spezialisten ins Haus. So werden die Bewohner rundum medizinisch und pflegerisch betreut. „Das ist genau das Konzept, das wir wollten. Unsere Mitarbeitenden haben Zeit, sich wirklich um die Menschen zu kümmern, um ihnen selbstbestimmtes Wohnen zu ermöglichen.“

Wir freuen uns sehr, dass alles auch dank der Unterstützung der ISB reibungslos gelaufen ist. Das ist in diesen Zeiten nicht selbstverständlich.

Yakup Odabasi und Frank Höhne

Förderung von Wohngruppen

Barrierefreiheit, gemeinschaftliches Wohnen sowie Pflege- und Unterstützungsleistungen gewinnen zunehmend an Bedeutung. Das selbstbestimmte Wohnen hat dabei für die meisten Menschen nach wie vor oberste Priorität. Dies gilt nicht nur für ältere Menschen, sondern auch für Menschen mit Behinderung. Mit dem Programm unterstützt das Land Wohnformen, die möglichst barrierefrei ein gemeinschaftliches Wohnen – auch für Menschen mit Demenz – ermöglichen. Darüber hinaus werden Wohngemeinschaften für Studierende oder Auszubildende sowie ältere oder behinderte Menschen gefördert. Die ISB-Darlehen sind bis zu 10 Jahren zinslos und beinhalten Tilgungszuschüsse in Höhe von bis zu 30 Prozent.