Gemeinsam mit den Wissenschaftlern der Forschungsstelle mittelständische Wirtschaft (FMW) der Philipps-Universität Marburg hat die größte Interessenvertretung des Mittelstands in Deutschland, der Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW), eine großangelegte Untersuchung zur Lage des Mittelstands durchgeführt. Für das "Marburger Mittelstands- Barometer (MMB)" wurden dabei bundesweit mehr als 1.700 Unternehmer befragt. Die Ergebnisse des MMB zeigen, dass die vielfach untersuchte Geschäftslage nur die Spitze des Eisberges wiederspiegelt.
Die Geschäftslage wird in großem Maße durch die Freude der Unternehmer am Unternehmertum bestimmt. Die Freude am Unternehmertum wird wiederum stark durch das Gründungsklima und das Unternehmerbild in der Öffentlichkeit beeinflusst. Als alarmierend stufen die Forscher die Tatsache ein, dass es um die Psyche der Mittelständler noch weitaus schlechter bestellt ist als um die Einschätzung der Geschäftslage. So verspüren die meisten Unternehmer kaum noch Freude am Unternehmertum, nehmen das Unternehmerbild in der Öffentlichkeit als negativ wahr und verspüren ein mangelhaftes Gründungsklima.
Diese Erkenntnis ist als besonders brisant einzustufen - haben doch diese psychologischen Faktoren einen Erklärungsanteil von fast 40% an der Einschätzung der Geschäftslage mittelständischer Unternehmen. Schuld am schlechten Gründungsklima sind hauptsächlich störende Rahmenbedingungen für Mittelständler. Bei den Befragten landen dabei die Regulierung und Bürokratie, das derzeitige Konjunkturklima, die Steuerbelastung und die Finanzierungsproblematik (wie z.B. restriktive Kreditvergabe der Banken oder fehlendes Eigenkapital) auf den vordersten Plätzen.
Besonders dramatisch ist die Lage in den neuen Bundesländern. Im Vergleich zu den alten Bundesländern werden hier durchweg schlechtere Werte erzielt. Die Situation ist allerdings nicht nur im Osten alarmierend. Die im MMB ermittelte Landkarte der Mittelstandspsychologie zeigt ein heterogenes Bild. Auch vermeintlich florierende Mittelstandsstandorte dürfen danach der Zukunft nicht ohne Sorgen ins Auge sehen. So sind die Befragten am Vorzeigestandort Baden- Württemberg zwar mit vergleichsweise großer Freude Unternehmer. Im Hinblick auf das Gründungsklima landet das Bundesland jedoch auf dem vorletzten Platz.
Die Lage in den einzelnen Branchen ergibt ebenfalls ein unterschiedliches Bild. Firmen in Groß- und Außenhandel belegen durchweg Spitzenplätze. Erfreulich ist die Tatsache, dass Handwerksunternehmen ein überdurchschnittlich positives Gründungsklima wahrnehmen. Dramatisch schlecht fallen demgegenüber die Bewertungen in der Baubranche aus. Positiver ist die Situation bei jungen Kleinstunternehmen mit bis zu 4 Mitarbeitern.
Ermutigend ist auch die Tatsache, dass junge Frauen besonders optimistisch an die Selbständigkeit herangehen. Nach Ansicht von Prof. Dr. Wolfgang Liebernickel (BVMW) sollten sie bei der Gründung besonders gefördert werden, da sie als Unternehmer/ in anteilsmäßig nach wie vor unterrepräsentiert sind.
Um den Mittelstand in Deutschland für die Zukunft zu stärken, liefern die Ergebnisse des MMB nach Meinung der Autoren vor allem zwei Ansatzpunkte: "Einerseits muss das Gründungsklima in Deutschland dringend verbessert werden", so Prof. Dr. Michael Lingenfelder (FMW). Ansatzpunkte hierfür lägen insbesondere in den als störend bewerteten Rahmenbedingungen. Bürokratische Hürden für Gründer sollten beispielsweise aus dem Weg geräumt werden.
"Anderseits sollte eine Marketing- Offensive zur Verbesserung des Unternehmerbildes in der Öffentlichkeit angestoßen werden!", so Lingenfelder. Derzeit spüre der Unternehmer in Deutschland ein hohes Maß an Neid und Missgunst in der Öffentlichkeit. Dieses Negativ-Image müsse durch ein Rollenbild des Unternehmers als tragende Säule der Gesellschaft ersetzt werden. Positivbeispiele, wie die Stärke und der Erfolg junger Unternehmer und Unternehmerinnen sollten dabei als Vorbild dienen.
Vor dem Hintergrund der Ergebnisse des MMB forderte der Präsident des BVMW, Mario Ohoven, dazu auf, endlich gemeinsam an einem Strang zu ziehen. Auch er fordert, eine Marketing-Kampagne für das Unternehmerbild in Deutschland zu starten. Neid und Missgunst gegenüber den Unternehmern müssten endlich aus den Köpfen verschwinden. "Die Ergebnisse des MMB sollten den mittelständischen Unternehmen helfen, ihre Sichtweise der deutschen Öffentlichkeit näher zu bringen und ihren Argumenten Gewicht zu verleihen." Nach wie vor würde die Meinung des Mittelstands in der Politik und in der allgemeinen Öffentlichkeit nicht ausreichend wahrgenommen und der Fokus noch immer hauptsächlich auf Großkonzerne zu liegen.
Um die psychische Verfassung des Mittelstands in Deutschland weiter zu beobachten und deren offensichtlich zentralen Stellenwert für den Mittelstand näher zu analysieren, wurden die vorbereitenden Aktivitäten für den MMB 2005 bereits gestartet.
Nähere Informationen zur Studie sind bei der Forschungsstelle mittelständische Wirtschaft (FMW) erhältlich.
Kontakt:
Philipps-Universität Marburg, Forschungsstelle mittelständische Wirtschaft (FMW), Tel.: 06421/ 28-23763, E-Mail: trinkl@wiwi.uni-marburg.de, Internet: http://www.mittelstandsbarometer.de