Die Europäische Union steht vor der größten Erweiterung ihrer Mitgliederzahl seit ihrem Bestehen: Mit rund 450 Millionen Einwohnern entsteht im Mai 2004 der weltweit größte einheitliche Markt. "Von der geplanten EU-Osterweiterung wird auch der Mittelstand in Rheinland-Pfalz profitieren", betonten kürzlich der Staatssekretär im rheinland-pfälzischen Wirtschaftsministerium, Harald Glahn, und der Journalist Wolf von Lojewski bei der Veranstaltung "Follow Me" in Neustadt an der Weinstraße. Diese Veranstaltungsreihe wurde von der landeseigenen Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz (ISB) GmbH initiiert. Partner sind die Handwerkskammern, die Industrie- und Handelskammern, der SÜDWESTRUNDFUNK und das FAZ-Institut. Schirmherr von "Follow Me" ist Wirtschaftsminister Hans-Artur Bauckhage.
"Die neuen Länder der EU stellen mit nahezu 75 Millionen neuen Konsumenten und über 400 Milliarden Euro zusätzlicher Wirtschaftskraft für die Unternehmen im Land wichtige Zukunftsmärkte dar", sagte Glahn. "Es gilt nun, die Chancen zu nutzen, die sich gerade in Mittel- und Osteuropa in Zukunft noch stärker als bisher bieten werden", so der Staatssekretär. Wolf von Lojewski referierte zum Thema: "Wer sind wir? Wohin wollen wir? Europa weitet seine Horizonte".
Nach Ansicht von Glahn zählt die anstehende EU-Erweiterung politisch und wirtschaftlich zu den wichtigsten Ereignissen der vergangenen Jahrzehnte überhaupt. "Gerade für den rheinland-pfälzischen Mittelstand mit seiner im Bundesvergleich überdurchschnittlich hohen Exportquote ergeben sich im globalen Wettbewerb große Chancen in der nach Osten erweiterten Union", betonte der Staatssekretär. Zudem genießen laut Glahn gerade diese mittelständischen Unternehmen bei osteuropäischen Partnern ein hohes Ansehen, weil sie "wegen ihrer Größe flexibel auf neue Marktsituationen reagieren".
Der Staatssekretär verwies auf die positive Entwicklung der Außenhandelszahlen von Rheinland-Pfalz mit den Ländern Mittel- und Osteuropas, die, alle Beitrittsländer zusammengenommen, mit rund 7 Prozent das Handelsvolumen mit den USA inzwischen übertreffen. Mit dem Wegfall der Zoll- und Zertifizierungspflichten werde die EU-Osterweiterung diesen Trend fortsetzen. Erleichterter Handel und erhöhte Exportnachfrage führten zu einer höheren Produktivität und zu sinkenden Anschaffungspreisen für Kapitalgüter. Gleichzeitig werden durch die reinen Volumeneffekte des Außenhandels wachsende Unternehmensumsätze erzielt. "Damit liefert die Exportwirtschaft als Konjunkturmotor einen wichtigen Beitrag für die Belebung der Binnennachfrage", so Glahn.
Der Staatssekretär rief die Unternehmer auf, zuversichtlich neue Märkte zu erschließen und auf neue Partner zuzugehen. "In diesen Ländern werden moderne Anlagen und Maschinen sowie Investitionsgüter benötigt - all das können unsere Unternehmen liefern, all das sind Erfolg versprechende Geschäftspotenziale". Besonders der Zusammenschluss im Branchenverbund bietet Glahn zufolge gerade für kleine und mittlere Unternehmen ausgezeichnete Möglichkeiten, sich auf den mittel- und osteuropäischen Märkten zu engagieren und verstärkt zu positionieren. "Entsprechende Verbünde haben wir in Rheinland-Pfalz bereits für die Automobil-Industrie und die Umwelttechnik ins Leben gerufen und ich bin gerne bereit, ähnliche Initiativen auch für andere Branchen auf den Weg zu bringen", kündigte der Staatssekretär an.
Generell wird der Mittelstand bei seinen Auslandsgeschäften vom rheinland-pfälzischen Wirtschaftsministerium, von den Industrie- und Handelskammern, den Handwerkskammern und der ISB unterstützt. Hans-Joachim Metternich, Sprecher der Geschäftsführung der ISB, sagte: "Die ISB vermittelt rheinland-pfälzischen Firmen Kontakte zu ausländischen Partnern und hilft ihnen bei der Erschließung neuer Märkte."
In enger Abstimmung mit dem Ministerium fördert die ISB auch die Beteiligung an Auslandsmessen und Maßnahmen zur Markterschließung für innovative Produkte und Dienstleistungen. Als weitere Finanzierungshilfen für das Auslandsgeschäft nannte Metternich die Bereitstellung von Bürgschaften sowie Beteiligungen der Mittelständischen Beteiligungsgesellschaft Rheinland-Pfalz oder einer der verschiedenen Venture-Capital-Gesellschaften der ISB. Besonders wies Metternich auf die in Zusammenarbeit mit dem Ministerium neu erschienene Broschüre "Programme und Ansprechpartner für den Außenhandel" hin. "Neben den Programmen zur Förderung der Außenwirtschaft finden Sie dort auch alle wichtigen Ansprechpartner im Bereich der Handels- und Kooperationsförderung", erläuterte er.
Für die Industrie- und Handelskammer (IHK) für die Pfalz sagte Dr. Hans Riemann, Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) für die Pfalz: "Bereits seit geraumer Zeit werden bei uns emotionale Debatten darüber geführt, ob die Osterweiterung der EU "Segen" oder "Fluch" für die inländische Wirtschaft bedeutet. Die Ängste betreffen vor allem die finanziellen Auswirkungen auf den EU-Haushalt und den starken Zustrom von Arbeitskräften aus den neuen Mitgliedstaaten auf unsere ohnehin angeschlagenen Arbeitsmärkte.
Den Sorgen steht das enorme Wachstumspotenzial des erweiterten Europäischen Binnenmarktes gegenüber. Die deutsche Wirtschaft hat die EU-Osterweiterung immer befürwortet, sie wird laut einer DIHK-Umfrage sogar für viele deutsche Unternehmen als "überlebensnotwendig" angesehen. Ohne Erweiterung der Europäischen Union nach Osten würden der Erhebung zufolge bereits bestehende Geschäftsbeziehungen gefährdet; Gewinnerwartung, Wachstum und Beschäftigung würden gedämpft. Hier finden sich die letzten Wachstumsmärkte vor der Haustüre, die insbesondere Chancen für den Mittelstand bieten.
Die ausgeprägte Internationalität von Rheinland-Pfalz mit einer hohen Exportquote lässt vermuten, dass insbesondere unsere Region zu den Gewinnern zählen wird. Jetzt gilt es, neue Kontakte aufzubauen, bestehende zu intensivieren und die Vorteile zu nutzen, die der Wegfall von Grenzen und Zollformalitäten bieten wird.
Die IHK Pfalz und die deutschen Auslandshandelskammern in Osteuropa unterstützen die Unternehmen in ihrem Engagement, bei der Suche nach Kooperationspartnern und dem Erfolg in einem erweiterten Binnenmarkt."
Für die Handwerkskammer (HWK) der Pfalz sagte der Hauptgeschäftsführer Heinz Hoffmann: "Die EU-Osterweiterung bietet leistungsfähigen und flexiblen Handwerksunternehmen durchaus Vorteile und Chancen, zumal mit einer steigenden Nachfrage nach höherwertigen Produkten und Dienstleistungen in den Beitrittsländern zu rechnen ist. Zur Markterschließung bieten sich insbesondere Kooperationen an, zumal die Tätigkeit vor Ort auch ein Sprungbrett in die weiter östlich liegenden Länder sein kann. Außerdem bieten sich die Beitrittsländer als günstige Beschaffungsmärkte an. Die Handwerkskammer unterstützt ihre Mitgliedsbetriebe bei deren Engagement im Osten durch Information und fachkundige Beratung über die in Landau ansässige EU- und Exportberatungsstelle.
Es besteht jedoch gleichzeitig die große Sorge, dass insbesondere das Bau- und Ausbaugewerbe zu den großen Verlierern der Erweiterung zählt. Der in dieser Branche ohnehin schon existenzbedrohende Wettbewerbsdruck wird trotz Übergangsregeln bei der Arbeitnehmerfreizügigkeit bzw. Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit stark zunehmen, da ab 1.5.2004 beispielsweise allein arbeitende Selbständige (ggf. Scheinselbständige) aus den Beitrittsländern ihre Dienstleistung in Deutschland sofort zu konkurrenzlos günstigen Preisen erbringen können. Da künftig die Visumspflicht entfällt und auch die neue EU-Außengrenze durchlässiger sein dürfte, wird zusätzlich noch die Schattenwirtschaft und illegale Beschäftigung an Fahrt gewinnen. Letztendlich können auch Unternehmen in Mitgliedsländern, welche die Freizügigkeit nicht beschränkt haben, mit günstigen osteuropäischen Mitarbeitern am deutschen Baumarkt auftreten. Wir gehen vor diesem Hintergrund davon aus, dass im Bau- und Ausbauhandwerk sehr viele Arbeits- und Ausbildungsplätze verloren gehen werden."
Die Veranstaltung "Follow Me" in Neustadt war Teil einer Informationskampagne der Europäischen Kommission, des Europäischen Parlaments und des Landes Rheinland-Pfalz. Sie wurde durchgeführt mit freundlicher Untestützung der Landesvertretung Rheinland-Pfalz und gefördert mit Mitteln der Europäischen Union.
Weiterführende Informationen:
>> Follow Me-Auftaktveranstaltung
>> Broschüre "Gemeinsam auf Auslandsmärkte 2004"
>> Broschüre "Programme und Ansprechpartner für den
Außenhandel"
>> Förderung von A-Z
>> Baltisches Informationsbüro