Ein Jahr im Lokschuppen

Eine Branche, die die Pandemie besonders getroffen hat, ist die Touristik. Was tun, wenn man von Luxus-Zugfahrten in historischen Bahnen lebt? Jörg Petry von der AKE-Eisenbahntouristik in Gerolstein ist dankbar für Hilfen von Staat und Land – und freut sich schon auf das Reisen der Zukunft.

Es war März 2020, als plötzlich alles stillstand – im wahrsten Sinne des Wortes. Die historischen Züge, die zuvor durch das ganze Land und das benachbarte Europa gefahren waren, die Touristen Tag für Tag an Urlaubsziele gebracht und ihnen Erholung und Abwechslung schon während der Fahrt beschert hatten: Sie alle verschwanden von einem Moment auf den anderen in den Lokschuppen, wo sie mehr als ein Jahr verbringen sollten. „Die Pandemie hat uns natürlich besonders hart getroffen: Urlaubsreisen in Zügen gingen plötzlich gar nicht mehr“, so Jörg Petry, Gründer und Inhaber der AKE-Eisenbahntouristik, die die Züge betreibt.  

Dabei war Urlaub im Zug in den vergangenen Jahren beliebt geworden wie nie: Tagestouren wie „Rhein­romantik auf Schienen“, „Fürstliches Heidelberg“ und „Ein Tag am Meer“ kamen ebenso gut an wie Mehr­tagesreisen, zum Beispiel „Einfach Meer“ und „Sommer, Sonne, Swinemünde“. Ein Modell im Trend: Man kann entspannen, die Landschaft genießen, man kommt schnell an, und es ist deutlich umweltfreund­licher als Kurzstrecke zu fliegen. 

Er selbst sei Ende der 1980er-Jahre dazu gekommen „wie die Jungfrau zum Kinde“, erzählt Petry. Schon als Kind hatte er sich für Eisenbahnen interessiert, „warum weiß ich nicht, mein Vater war Banker, mit Eisenbahnen hatte bei uns niemand etwas am Hut“. Er selbst machte eine Banklehre. Als Ende der 1990er-Jahre immer mehr Eisenbahnstrecken still­gelegt wurden, erwachte seine Bahn-Leidenschaft erneut: Gemeinsam mit Freunden organisierte er Abschiedsfahrten in historischen Wagen. Dafür wiederum interessierten sich immer mehr Menschen, „und wir haben gemerkt: Damit können wir Geld verdienen. Irgendwann haben wir das dann professionell als Reiseveranstalter aufgezogen“.

In normalen Zeiten fahren zwischen 200 und 450 Passagiere mit einem Zug beispielsweise an der Mosel entlang oder von Mainz an den Gardasee. Immer mehr Menschen wissen diese Art zu reisen sehr zu schätzen: „Die Hauptklientel sind über 60-Jährige, die kulturell anspruchsvoll sind. Sie reisen bei uns erster Klasse in historischen klimatisierten Fahrzeugen mit drei Restaurants.“ Bis zu 15 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind an Bord, darunter mehrere Köche. „Nachmittags gibt es stilvoll Kaffee und Kuchen, während der Tour werden die Sehenswürdigkeiten an der Strecke erläutert, eine Bar steht ebenso zur Verfügung wie ein Aussichtswagen mit Glaskuppel. Es ist ein bisschen wie eine Kreuzfahrt auf Schienen.“ Übernachtet wird allerdings nicht im Zug, sondern in hochklassigen Hotels. 

Es ist schon schwierig. Wir mussten über ein Jahr lang alles absagen, unsere traditionelle Osterreise an den Lago Maggiore sogar schon zweimal.

Jörg Petry
Gründer und Inhaber der AKE-Eisenbahntouristik

Aber eben nur, wenn nicht gerade wegen Corona alles stillsteht. Wie hat Petry diese Zeit bisher überstanden? „Es ist schon schwierig. Wir mussten über ein Jahr lang alles absagen, unsere traditionelle Osterreise an den Lago Maggiore sogar schon zweimal.“ Bisher hat es seine Firma gerettet, „dass wir viel Unterstützung bekommen konnten vom Staat und vom Land, auch die ISB hat dabei sehr geholfen.“ Überbrückungshilfen, November- und Dezemberhilfe, ein ISB-Soforthilfekredit, darüber hinaus Kurzarbeitergeld – all das hat das Eisenbahntouristik-Unternehmen bisher über Wasser gehalten. Auch Petrys zweites Standbein, das wesentlich weniger von der Pandemie betroffen ist: die Vulkaneifelbahn, die Güter durch ganz Deutschland transportiert. „Wir bringen zum Beispiel Kies und Steine zu Baustellen der Deutschen Bahn. Unsere Spezialität sind Schwerlasttransporte wie Transformatoren“, erklärt der Bahn-Profi. „Das ist nicht so einfach, weil sie sehr schwer und manchmal auch zu breit sind für normale Bahnhöfe und Durchfahrten. Wir müssen vorher genau im Detail aus­messen, ob das passt.“ Manchmal steigen seine Mitarbeitenden vor einem Bahnhof aus und messen per Hand nach – um dann eventuell die Ladung nach­zujustieren, „damit wir überhaupt durchkommen“.
 
Dieser Zweig ist zum Glück bisher gut weitergelaufen, und so ist Petry guter Dinge, insgesamt einigermaßen durch die Krise zu kommen – und durch die aktuellen Öffnungsperspektiven steigt die Nachfrage wieder merklich. Deshalb ist er überzeugt, dass es sich lohnt, mit den Touristiktouren durchzuhalten: „Es wird in diesem Bereich in Zukunft mit Sicherheit viel Bedarf geben“, so der Unternehmer. „Ich bin überzeugt, dass wir ein sehr gutes Produkt haben – und dass es in Zeiten der Diskussion um Nachhaltigkeit und bewusstes Reisen in Zukunft noch viel besser laufen wird.“